FOTOEXKURSIONRÜCKBLICK kurzen Geweihstangen aus der Deckung heraus und ließ sich nicht vertreiben, als wir leise aus dem Auto stiegen. Offenbar war es ein wenig scheues, eher neugieriges Indi- viduum. Es gelangen einige Porträtbilder mit dem Z 800er, bis der Elch sich in dem für diese Art so typischen trabenden Gang davonmachte. Wir pirschten uns dann noch einmal an dieses Exemplar heran, das in den Plantagen verschwunden, aber in einem der Zwischenräume stehengeblieben war, die zwei Plantagenrei- hen bilden, und uns einen letzten Blick zuwarf. Unsere Kame- ras waren im „Dauerfeuer“. Doch was mich noch mehr erfreute als die Bilder, war diese nahe Begegnung mit dem König der Wälder, die nur etwa vier Minuten dauerte, mich aber die Mühen und Strapazen ver- gessen ließ, die wir jeden Morgen auf uns nahmen, wenn der Wecker uns um 5:15 Uhr aus dem Schlaf riss, damit wir gegen 5:45 ohne Frühstück abfahren konnten, um rechtzeitig im Elchgebiet zu sein. Denn es ist wie immer in der Naturfotografie: Das beste Licht ist in der Zeit kurz nach Sonnenaufgang. Bald danach ist es schon wieder zu hell für gute Bilder. Unverhoffte Begegnung Wie oft, so war es auch dieses Mal: Am letzten Tag sollten wir noch einmal Glück haben. Ehrlich gesagt, wollte ich zuerst in Ruhe packen und danach frühstücken, bevor wir die 800 Kilometer lange Rückreise nach Dresden antreten würden. Aber dann entschied ich mich anders. Zum Glück! Denn Naturfotografie bedeutet auch immer, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und beides wurde uns genau an jenem letzten Morgen vergönnt: Wir beobachteten ein besonders stattliches Exemplar von Elch in der Plantage und pirschten uns vorsichtig in gebückter Haltung an. Gerade hatten wir ihn noch gesehen. Daraufhin jedoch war er verschwunden wie ein Geist, was nicht sein konnte bei die- ser Größe. Plötzlich sahen wir sie wieder: seine beeindrucken- den Schaufeln, die aus den Aroniabüschen hervorlugten. Und dann passierte etwas, das man wohl nur mit dem Wort „Glück“ umschreiben kann: Eben dieser Elch tat uns den „Gefallen“, sich genau in Richtung Sonnenaufgang zu bege- ben, wo der Himmel begann, sich in ein zartes Orange zu färben. Wir machten faszinierende Bilder von der Silhouette des Elchs, die sich in schneller Weise über die Wiese bewegte. Doch damit nicht genug: Später, es war während unserer letzten Pirschfahrt, entdeckten wir weitere Elche in der Plan- tage und sahen voraus, dass der eine oder andere genau an einer bestimmten Stelle über den Weg wechseln würde. Dort stellten wir das Auto ab und stiegen aus. Wie erwartet, erschien einer der Könige der Wälder auf dem Weg und schaute uns direkt an. Er fiel durch sein beacht- liches Geweih auf. Offenbar konnte er uns weder sehen noch wittern. Weil es an diesem Morgen kalt war, entstand bei jedem Ausatmen ein Nebelschleier vor seinem Kopf, der dem Bild etwas Besonderes verleiht. Wisente oder Europäische Bisons Wisente (Bos bonasus; häufig auch Bison bonasus) gab es lange Zeit nicht mehr in freier Wildbahn. 1919 wurde der letzte Flachland-Wisent erschossen, 1927 der letzte Berg- Wisent im Kaukasus. Damit waren Wisente in freier Wild- bahn ausgerottet. Heute gibt es sie wieder. Dank internationaler Zucht- und Wiederansiedlungs-Projekte sowie dem strengen Schutz- status in vielen europäischen Ländern umfasst der Wisent- Bestand mittlerweile weltweit mehr als 7200 Tiere. Alle heute lebenden Wisente stammen von zwölf Artgenossen aus Zoos und Gehegen ab. Die ersten Wisente begegneten uns am zweiten Tag der Exkursion. Es war eine kleine Herde mit einigen Jungtieren, weshalb die Muttertiere besonders scheu waren. Und ob- gleich Peter ganz langsam weit in den Wald hineingefahren war und wir vorsichtig hinter ihnen her pirschten, gelangen mir nur wenige Bilder, und hier ragte etwas Bewuchs ins Tier hinein. Denn die Gruppe verschwand schnell im tiefen Wald. Am selben Tag sollte abends eine weitere Herde mit einigen kräftigen Bullen unseren Weg kreuzen, die sich auf einem Acker aufhielten und auch dann keine Anstalten zur Flucht unternahmen, als wir uns behutsam näherten. Es ist gar nicht so einfach, aus einer Herde eines oder meh- rere Exemplare so zu fotografieren, dass eine harmonische Bildkomposition entsteht und womöglich auch der Hinter- grund stimmt. Dabei ergab sich hier die Möglichkeit, die gelb gefärbten Bäume so im Bild anzuordnen, dass sich darin die Herbststimmung widerspiegelt. Wir fotografierten die Herde etwas mehr als eine Stunde lang, wobei wir zuerst immer warten mussten, bis die Sonne hinter einer Wolke verschwand, um nicht das harte Licht im Bild zu haben. Die Stimmung wurde interessanter, als die Landschaft vor dem Sonnenuntergang in ein orange-rötliches und weiches Licht getaucht wurde, das durch eine niedrige Farbtemperatur entsteht. Ortskenntnis und andere Voraussetzungen Freilich ist eine solche Reise von vielen Faktoren abhängig: Manche sind beeinflussbar, wie zum Beispiel die Organisation, andere nicht; denken wir an das Wetter oder die Tiere selber, die stets unberechenbar sind. Nicht nur braucht man eine ausgezeichnete Kenntnis des Gebiets, man muss auch Experten kennen, die einen ständig darüber auf dem Laufenden halten, wo sich interessante Tiere gerade aufhalten. Das hat den Vorteil, dass die Gruppe sich dann schnell dorthin begeben kann, um die ersehnte Tier- begegnung erleben zu können. Außerdem: Ohne die Genehmigung, dort auch im Wald fahren zu können, wäre ein Großteil der Tour nicht möglich gewesen. Doch damit nicht genug! In der heutigen Zeit muss man sich auch mit seinem Auto beim polnischen Grenzschutz melden, der dort ständig patrouilliert. Dazu ein Erlebnis: Eines Tages fuhren wir nach unserem fotografischen Tun am späten Morgen wieder ins Hotel. Als ich ausstieg, standen dort zwei Grenzbeamte, die (natür- lich auf Polnisch; also für mich unverständlich!) sagten, sie seien schon 15 Minuten mit Blaulicht hinter uns hergefahren, was wir aber nicht bemerkt hatten. Sobald sie Peter sahen, meinten sie nur: „Ach, ihr seid es!“ Zuletzt ist zu beachten, dass in dieser Gegend nicht viele Leute Englisch sprechen, sodass polnische Sprachkennt- nisse unerlässlich sind. Fazit Unsere Zeit im Reich der Elche und Wisente hat uns viele faszinierende Tierbegegnungen beschert, welche alle Mühen aufgewogen haben. Natürlich ist es immer wieder eine Herausforderung, morgens vor Sonnenaufgang auf- zustehen, um rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein. Aber spätestens wenn wir uns hinterher im warmen Zimmer die Bilder ansehen und uns daran freuen, dass die eine oder andere Aufnahme so gelungen ist, wie wir uns das gewünscht haben, sind wir mit all den Strapazen versöhnt. – Was kann man mehr von einer Fotoexkursion erwarten? n T ierische NATURBLICKABENTEUER Mit NATURBLICK der Natur auf der Spur