FOTOEXKURSIONRÜCKBLICK Elch-Erfahrung Meinen ersten Elch hatte ich dann an einem Wasserloch in einem Birkenwäldchen. Er ging kurz ins Wasser und wollte dann verschwinden. Ich beschloss, den Elchrufer zu machen. Ich hatte nichts zu verlieren. Mache ich nichts, ist der Elch weg. Mache ich es falsch, ist er auch weg. Ich weiß nicht, was ich ihm da gesagt habe, aber er wurde rasend vor Wut. Er fegte die kleinen Birken, Büsche flogen durch die Luft und eine armdicke Birke, die ihm wohl zu nahe gekommen war, brach (oder brachte) er um. Dann stürzte er auf mein Versteck zu, brach durch die Büsche und war noch hundert Meter weit zu hören, wie er wütete. Später, beim Betrachten der Aufnahmen entdeckte ich, dass er den Kopf voller Kampfnarben hatte. Ein Ge- weihende war abgebrochen, das rechte Auge war trüb und stark angeschwollen. Offenbar eine frische Verletzung, und er musste wahnsinnige Schmerzen haben. Wenn er mich au- ßerhalb meines Versteckes erwischt hätte! In der Stille des Morgengrauens Wieder einmal sitze ich mit einem Fotofreund auf Wölfe an. Ich sehe sie schon aus gut anderthalb Kilometern als kleine schwarze Punkte aus dem Wald kommen, in unsere Richtung einschwenken und dann hinter dem Hügel vor uns abtauchen. Jedes Mal die Frage, wo sie dann wohl auftauchen werden. Mal kommen sie in einer Entfernung von nur vierzig Metern, ein andermal in einhundert Metern über die Kuppe am Feldrain entlang auf unsere Waldkante zugetrottet. Laufen können sie nicht mehr. Nach einhundert oder auch mal ein- hundertfünfzig Metern müssen sie sich hinsetzen und verschnaufen. Ihre dicken Bäuche machen ihnen zu schaffen. Oft bleiben sie auch mal länger liegen, senken nur den Kopf, wenn der Bauer mit seinem Traktor vorbeifährt. Und wir sitzen hier und haben noch kein Frühstück bekommen! Einblicke Wenn der Wind stimmt, kommen die Tiere ganz nah heran, und man kann großartige Bilder machen. Nicht immer funk- tioniert dies. Beharrlich sitze ich auch den dritten Tag auf die Wölfe an und bekomme schöne Einblicke in ihren Alltag. In der Nähe der Waldkante erwarten die Welpen den Babysitter am Rendezvousplatz. Obwohl sie selbst wohl auch schon am Riss gefressen hatten, würgt der Jungwolf für sie noch Nahrung hervor, die sie dann verschlingen. Doch auch mit dickem Bauch steht den Kleinen noch der Sinn nach Spielen. Diesmal muss ein Kolkrabe herhalten. Danach ist Siesta angesagt. Bis nach neun Uhr liegen sie, Bauch nach oben; in der Sonne und verdauen ihre Mahlzeit. An den Resten, die sich am Feldrain befinden, kann man erkennen, wie breit ihr Nahrungsspektrum ist. Vom kleinen Biber bis zum großen Elch steht jedes Stück Fleisch auf ihrem Speiseplan. Im Schutz der Herde Weil ich nicht jeden Tag nur stillsitzen will und meine Knochen auch einmal bewegen muss, suchen wir wieder nach den Wisenten. Wir finden sie, und diesmal ist ein großer, ein mächtiger Bulle vor Ort. Er zieht nicht mit der Herde wie die anderen zwei, sondern besucht sie nur zur Paarungszeit, also jetzt. Ich finde, dieser Bulle steht seinem nordamerika- nischen Cousin in nichts nach. Ein Muskelpaket voller Selbst- vertrauen steht uns gegenüber und mustert uns. Als einer der Fotografen immer dichter heran will, dreht der Bulle sich um und geht. Distanzen zu wahren, gehört eigentlich zum Grundwissen eines Tierfotografen. Eigentlich. Ich finde noch Zeit und Gelegenheit, den Alltag einer Wisentherde zu beobachten und ein paar schöne Bilder zu schießen. Wenn sie liegen und wiederkäuen, sich im Sand wälzen oder auch die berühmte Mauer gegen Eindringlinge bilden, strahlen sie bei allem, was sie tun, eine unwahrschein- liche Ruhe und Selbstsicherheit aus. Das mag zum einen an ihrer Körpermasse, zum anderen aber auch an ihrer Zusammengehörigkeit liegen. Zur Elchbrunft bin ich hergekommen. Ich hatte die kleine Hoffnung, Wisente in freier Wildbahn zu sehen, nachdem ich in Miroslawiec bereits welche im Schaugehege der Um- weltschule streicheln und füttern durfte. Und ich bin nicht enttäuscht worden! Die Könige des Waldes Der zweite Elch-Spot befindet sich an einem kleinen See mit Löschwasserentnahmestelle. Hier hatte ein großer Bulle sein Revier, ein Riese mit schönen Schaufeln. Ich war den ganzen Tag von 04:00 bis 19:00 Uhr im Ansitz, denn ich wollte ihn haben! Schon früh hörte ich ihn links von mir. Ich habe ihn gerufen, und er kam dann auch. Es war ein schönes Bild, diesen Giganten im Nebel auf- tauchen zu sehen. Immer wieder umrundete er den See und suchte den Rivalen, der da ruft. Ganze siebenmal habe ich ihn die Runde laufen lassen, den Armen! Dreimal kam er dann auch ins Wasser. Als ein junger Elchbulle im Nebel auftauchte, habe ich mir den Spaß gemacht, den Alten zu rufen. Jetzt hatte er ein Bild zu den Rufen! Mit Krach stürzte er sich ins Wasser, sah den Halbstarken und blieb stehen. Den konnte er nicht ernst nehmen! Er fraß ein wenig und trollte sich wieder ins Unter- holz. Am Nachmittag hatte ich ihn zum letzten Mal vor der Optik. Bei schönstem Sonnenschein konnte ich ihn immer wieder ablichten. Er strahlte etwas Majestätisches aus. Ruhe und Kraft lagen in seinen Bewegungen, und er guckte auch so selbstbewusst in die Kamera. Er war der König dieses Waldes! Sie lesen richtig die Ver- gangenheitsform! Denn am 27.09. erreichte mich die Nach- richt von Peter, dass dieser Elch einem Wilderer zum Opfer gefallen ist. Es traf ihn ein schlechter Schuss, der ihn schwer verletzte. Nach langer Flucht erreichte er die Hauptstraße, wo er dann qualvoll verendete. Pawel hat ihn gefunden. Auszeit Für mich ist es eines der schönsten Erlebnisse, noch weit vor dem Morgengrauen in den Wald hinauszufahren und die letzte Strecke zu Fuß zu gehen, im Versteck zu sitzen und zu erleben, wie die Natur erwacht. Spechte klopfen, ein Eichhörnchen beginnt in den Bäumen zu wirtschaften, die Waldvögel beginnen ihr Lied. Auch wenn der Fokus auf Elch, Wolf und Wisent liegt, gibt es doch am Rand des Weges immer wieder auch Begegnungen mit anderen Bewohnern des Knyszyn-Waldes. Wenn dann die ersten Äste knacken, das „Umpfen“ eines Elchbullen durch den leuchtenden Birkenwald dringt, dann geht es los, dann ist man wach und bereit. Am Abend dann habe ich mich nicht vom Versteck, son- dern lieber weit weg am Hauptweg abholen lassen. So kehrt schnell wieder Ruhe ins Revier ein, und ich habe die Zeit im dunklen Wald allein mit all diesen Geräuschen und Gerüchen genossen. Ich bin nach Hause zurückgekehrt mit vollen Speicher- karten und einem vollen Herzen. Der Spätsommer im Knyszyn-Wald hat tief in mir wunderschöne Bilder hinter- lassen, die keine Kamera einfangen kann. Die Natur, die Menschen hier und natürlich die großartigen Fotomotive haben mich für die lange Anfahrt mehr als entschädigt. n T ierische NATURBLICKABENTEUER Mit NATURBLICK der Natur auf der Spur